Am Wochenende haben wir bei bestem Wetter ein richtig schönes buntes ökumenisches Gemeindefest in Fröndenberg gefeiert. Und das obwohl es viele Schwierigkeiten und Hindernisse im Vorfeld gab. Am Ende haben alle zusammen angepackt und das Ergebnis war ein fröhliches buntes Miteinander. Und so manch einer hat sich an diesem Wochende gefragt: Warum nicht immer so? Steckt in dieser Gemeinschaft nicht eigentlich ein Riesenpotential?
Ein paar Gedanken zur Ökumene, meine Predigt vom Wochenende hier noch mal zum Nachlesen:
Zunächst eine Geschichte: Einmal war Jesus am See Genezareth unterwegs. Viele Menschen waren bei Jesus. Er erzählte ihnen Geschichten von Gott. Am Abend sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Wir wollen über den See fahren.“ Sie steigen in ein Schiff. Sie fahren über den großen See. Jesus ist müde. Er liegt im Boot und schläft. Auf einmal kommt ein starker Sturm. Er peitscht das Wasser auf. Überall sind hohe Wellen. Die Wellen werden gefährlich. Das Schiff wird hin und her geschleudert. Die Wellen schlagen ins Schiff. Jesus schläft ganz ruhig. Die Jünger haben große Angst. Sie gehen zu Jesus und wecken ihn auf. Sie rufen: Hilfe Jesus! Wir gehen unter! Jesus richtet sich auf. Er sagt: Warum habt ihr Angst? Ich bin doch da. Jesus blickt auf die tobenden Wellen. Er ruft dem Wind und den Wellen zu: Schweigt jetzt! Seid still! Da wird es ganz still. Der See liegt ganz ruhig da.Die Jünger erschrecken. Sie sagen zueinander: So mächtig ist Jesus! Er spricht nur ein Wort. Und dann gehorchen ihm Wind und Wellen! Der See bleibt still. Das Schiff fährt ruhig weiter. (nach Mk 4,35-41)
Sturmerfahrungen. Die haben wir vermutlich alle schon gemacht. Denn wir leben in stürmischen Zeiten. Wie eine große bedrohliche Welle rollt der Klimawandel auf uns zu. Ein Sturm, der die ganze Menschheit betrifft und dem wir irgendwie entgegentreten müssen. Das ist eine der ganz großen Herausforderungen in unserer Zeit, der wir uns noch viel stärker stellen müssen als bisher.
Aber auch innerkirchlich befinden wir uns in stürmischen Zeiten. Wie ein schwerer Sturm, der das Schiff erschüttert – So mag es sich angefühlt haben für euch, katholischen Schwestern und Brüder als kürzlich euer Priester Norbert Wohlgemut sein Amt niedergelegt hat und ihr plötzlich ziemlich allein gelassen da standet. Ein bisschen verloren und verlassen hat sich das für viele angefühlt. Orientierungslos. Wer steuert jetzt unser Schiff durch den Sturm? Da sind Ängste vor der Zukunft. Übeforderungsgefühle. Mutlosigkeit.
Personalwechsel, Stellenkürzungen, immer mehr Arbeit auf immer weniger Schultern verteilt – all das kennen auch wir Evangelischen Christen zur Genüge. Wie ein schwerer Sturm, der das Schiff erschüttert – So fühlt sich die derzeitige Situation in unseren Kirchen an. Immer weiter steigende Austrittszahlen in beiden Landeskirchen. Ein zunehmender Bedeutungsverlust der Kirche in unserer Gesellschaft. Und ihr – Schwestern und Brüder aus der freien Ecclesiagemeinde in Menden – auch ihr kennt die Fragen, die uns alle umtreiben: Wie können wir in der heutigen Zeit noch die Menschen erreichen? Wie können wir Menschen einladen, wie ihnen die gute Botschaft verständlich machen, so dass es nicht abschreckt, sondern neugierig macht? Wie können wir unsere Gemeinschaft neu beleben?
Wir kämpfen darum, die gute Nachricht weiterzugeben, unsere Gemeinschaft zu pflegen und Menschen in Not zu helfen. Manchmal fühlt es sich an, als wären wir ganz allein da draußen. Um uns tobt ein Sturm. Viele gehen über Bord. Und manch einer sagt über uns Kirchen: Ihr sitzt doch längst auf einem untergehenden Schiff. Merkt ihr das eigentlich nicht? Es gibt keine Hoffnung mehr. Wozu also noch weitermachen?
Ich mag diese Geschichte von der Sturmstillung. Weil ich mich so gut darin wieder finden kann. Mit meinen eigenen Ängsten, meinem Scheitern, meinem fehlenden Vertrauen. Und es steckt aber auch einiges in dieser Geschichte, was uns als Gemeinden helfen kann, uns wieder neu auszurichten und dass uns zeigen kann: Es ist nicht alles verloren. Und jeder Sturm kann auch gestillt werden.
Drei Dinge fallen mir da auf an dieser Geschichte:
Das erste ist: Wir sollten uns bewusst machen: Wir sitzen alle in einem Boot. Wir gehören zusammen. Das ist unser Motto an diesem Wochenende.
Manchmal mag es sich eher so anfühlen als führen da viele kleine Schiffe auf der großen weiten See: Da ist das Boot von der ev. Kirchengemeinde in Fröndenberg und Bausenhagen. Ein anderes Boot von der ev. Kirchengemeinde in Frömern. Dann ein St-Agnes- Schiff und eins von der Mariengemeinde. Und irgendwo weiter draußen ein Boot von der Ecclesiagemeinde in Menden. Und dann sind da noch die vielen anderen Geschwister mit ihren je eigenen Gemeinschaften draußen unterwegs. Und die Boote begegnen sich, winken sich zu, fahren ein Stück gemeinsam, manchmal jagen sie auch aneinander vorbei. In der Selbst – und Fremdwahrnehmung fahren die einen vielleicht auf einer Luxusjacht, die nächsten auf einem rostigen Kahn. Da fühlt sich das kleine Fischerboot vom großen Dampfer überrolt. Da gibt es ein Wettrennen zwischen der vermeintlichen Segeljacht und dem Piratenschiff.
Wir Menschen neigen all zu schnell dazu, uns auf die Unterschiede zu konzentrieren. Und dann entsteht so etwas wie Konkurrenzdenken, Überheblichkeit oder Neid und Missgunst.
Wenn man sich die Jünger von Jesus anschaut: dann war das ein bunt gemixter Haufen von Menschen, die sich im natürlichen Leben vielleicht eher aus dem Weg gegangen wären. Die auf den ersten Blick gar nicht zusammen passten. Aber Jesus vereint Menschen aus unterschiedlichen Schichten, mit unterschiedlichen Charakteren und Wesenszügen und sie steigen alle zusammen in dieses Boot ein. Und fahren gemeinsam raus auf den See.
Die wahre Sicht ist: Wir sitzen alle in einem Boot. Denn wir folgen alle demselben Herrn: Jesus Christus. Und das ist das Entscheidende, das einzig Wichtige und das wofür wir das Ganze eigentlich machen. Also lasst uns doch auch gemeinsam die Aufgaben angehen, die vor uns liegen. Dieses ökumenische Fest ist ein wunderbarer Schritt in diese Richtung zu zeigen: Wir gehören zusammen. Deshalb mischen wir uns auch ganz bewusst an den Ständen. Und es brät ganz bewusst nicht jeder seine eigene Bratwurst.
In dem Boot in dem wir gemeinsam unterwegs sind gibt es dann ganz unterschiedliche Aufgaben: Das Segel hissen – nach außen Flagge zeigen/ den Ausguck besetzen – beobachten und Visionen entwickeln/ das Ruder in die Hand nehmen/ bis hin zur Verpflegung der Mannschaft wird jede Gabe gebraucht. Und es ist auch gut, dass jeder die Aufgaben auf seine je eigene Art ausführt. So wie Mona Schomers am Freitag schon in ihrer Predigt gesagt hat: Es ist gut so, dass wir unterschiedlich sind, denn so können wir uns am besten ergänzen: Aber alle gemeinsam sitzen wir am Ende doch im selben Boot. Und dieses Gemeinschaftsgefühl kann uns erst Recht helfen, uns gegenseitig zu stützen und zu helfen wenn ein Sturm kommt.
Das zweite Bemerkenswerte an der Geschichte ist: Wir sind nicht allein im Boot. Jesus fährt mit. Das was eigentlich für eine christliche Gemeinde selbstverständlich sein sollte, gerät in der Hektik des Alltags all zu schnell aus dem Blick, ist mein Eindruck. Ich meine: Wir müssen uns viel mehr auf unseren Kern besinnen und aufhören immer nur auf unsere eigenen menschlichen Kräfte zu bauen. Als christliche Kirche haben wir den einzigartigen Vorteil gegenüber allen weltlichen Organisationen und Vereinen, dass da noch jemand mit uns im Boot sitzt, der die Macht hat sogar einen Sturm zu stillen!Warum trauen wir ihm oft so wenig zu?
Sicher: Planungen, Organisation, Finanzmanagement, Strukturanalysen, Fundraising, Werbekampagnen, Öffentlichkeitsarbeit, Personalplanung, Haushaltspläne und Helferlisten – das sind alles unverzichtbare und notwendige Dinge wenn wir in der heutigen Zeit weiter Kirche sein wollen. Aber das kann doch nicht alles sein.
Die treibende Kraft, das worauf wir uns in letzter Instanz verlassen, das sollte doch die Kraft Gottes sein. Ich meine, lasst uns die Kraft des Gebets nicht unterschätzen, die real existierende und verändernde Kraft des Heiligen Geistes nicht außer Acht lassen. Lasst uns immer wieder bewusst machen, dass letztlich er es ist, der Gemeinde baut und nicht wir. Ich wünsche mir da manchmal mehr von dem Urvertrauen der ersten Christen und ja auch mehr Pioniergeist und mehr Vertrauen auf die Macht von der wir sagen, sie ist höher als all unsere Vernunft.
Jesus sitzt mit uns im Boot. Auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, er schläft. Und es sich nicht so anfühlt als wäre er da. Die Jünger in der Geschichte wussten das. Dass er da ist. Und sie hatten trotzdem Angst. Das ist menschlich. Aber in ihrer Not rufen sie zu Jesus. Jesus ist der, der helfen kann. Und der, der helfen wird, aber dazu müssen wir ihn immer wieder konkret um seine Hilfe bitten.
Und schließlich das Dritte was uns die Geschichte von der Sturmstillung neu lehren kann: Wir haben einen gemeinsamen Auftrag. Und der lautet: Menschenfischen. In einer anderen Geschichte, nämlich der wo Jesus sich seine Jünger auswählt tut er das mit diesen Worten: Kommt, lasst uns Menschenfischen! Menschenfischen – das meint nichts anderes als die gute Nachricht von Gottes Liebe zu den Menschen weiterzutragen. Das ist unser Auftrag als Kirche. Der Auftrag von jeder Christin und jedem Christ. Menschen die Liebe Gottes zu vermitteln. In Wort und Tat. Dadurch, dass wir so wie heute zusammen Gottesdienst feiern, Gottes Wort verkünden passiert das schon. Und in Taten, ganz praktisch passiert das in unseren Kirchen auch schon an ganz vielen Stellen: In der diakonischen Arbeit vor Ort, in der Flüchtlingsarbeit hier in Fröndenberg, in der einladenden Haltung vieler gemeindlicher Gruppen und Kreise. Aber auch im helfenden Handeln jedes Einzelnen geschieht das.Im Kleinen und auch im Großen. Und wo wir schon beim Thema Boot sind: Ganz konkret plant die EKD gerade zum Beispiel sogar ein Rettungsschiff zu kaufen um ganz praktisch Menschen aus dem Mittelmeer zu fischen. Letztlich geht es darum uns auf den Kern zu besinnen: Menschen zu retten im körperlichen wir im geistlichen Sinne. Und dieser Auftrag ist wieder etwas was wir alle gemeinsam haben und dem wir viel mehr entsprechen könnten wenn wir uns bewusst machen, dass wir alle in einem Boot sitzen.
Ich bin überzeugt: Gemeinsam können wir da oft noch viel mehr bewegen als wenn jeder nur für sich kämpft. Liebe Schwestern und Brüder, wenn Stürme über uns hereinbrechen aber auch bei gutem Wetter und bester Sicht lohnt es sich, wenn wir uns bewusst machen: Wir sitzen alle in einem Boot. Wir dienen alle dem gleichen Herrn, und wir verfolgen alle den gleichen Auftrag.
Die Herausforderungen unserer Zeit sind nicht ohne. Wenn wir als Kirche überleben wollen, dann müssen wir uns mehr denn je zusammen tun. Und wenn wir die gute Nachricht weiter zu den Menschen tragen wollen, müssen wir unser Vertrauen zuallererst auf Jesus setzen. Ich bin da ganz positiv gestimmt, dass wir das schaffen und gemeinsam noch viel erreichen können. Also lasst uns doch auch in Zukunft, auch über dieses Fest hinaus, gemeinsam in See stechen und zusammen die Abenteuer bestehen, die da draußen auf uns warten.